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Analyse zum BGH-Urteil: Störerhaftung bringt neue Rechtsunsicherheiten

Der BGH hat mit einem Urteil in der vergangenen Woche zwar die Abschaffung der Störerhaftung bestätigt, sorgt aber an anderer Stelle für neue Rechtsunsicherheiten.

Der Hintergrund: Eine Anwaltskanzlei hatte für einen Software-Publisher einen Anschlussinhaber abgemahnt, weil er ein Spiel am 6. Januar 2013 (2013? Zum Thema Zeitpunkt später mehr) über seine IP-Adresse zum Upload angeboten haben soll. Die Kanzlei hatte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Anwaltskosten und Schadensersatz aufgefordert.

Der Anschlussinhaber weigerte sich. Seine Begründung: Er selbst habe die Tat nicht begangen, allerdings betreibe er fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots sowie zwei sog. Tor-Exit-Nodes unter der IP-Adresse. Das Landgericht (LG) und 2017 in der Berufung auch das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf wandten auf den den Fall das Konstrukt der Störerhaftung an und gaben dem Software-Hersteller Recht. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, seinen Internet-Anschluss gegen die missbräuchliche Nutzung durch Dritte zu schützen.

In der Revision hatte der BGH nun zu prüfen, ob das OLG Düsseldorf geltendes Recht korrekt angewandt hat. Allerdings trat im Oktober 2017 eine von der großen Koalition initiierte Gesetzesänderung in Kraft, die WLAN-Betreiber aus der Störerhaftung nimmt ("3. TMGÄndG"). Eine Änderung an Paragraf 8 des Telemediengesetzes (TMG) bezieht Betreiber von privaten oder kommerziellen WLAN-Hotspots ausdrücklich in das Haftungsprivileg ein, das zuvor nur für Provider galt. WLAN-Betreiber können also für fremde Taten nicht mehr wegen Unterlassung oder Schadensersatz belangt werden, außerdem müssen sie keine Anwalts- oder Gerichtskosten übernehmen.

Obwohl im konkreten Fall die Tat bereits fünf Jahre zurückliegt, hat der BGH in der mündlichen Verhandlung am 21. Juni angekündigt, dass er die neue Rechtslage erstmals berücksichtigen wird. Die juristische Fachwelt war gespannt, ob das mehrfach nachgebesserte GroKo-Gesetz zur Abschaffung der Störerhaftung diesen Lackmustest bestehen würde.

Im letzte Woche verkündeten Urteil hob der BGH die Verurteilung zur Unterlassung tatsächlich auf. Wörtlich teilte er mit: "Ist eine Handlung im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung nicht mehr rechtswidrig, kommt die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs nicht in Betracht."

Allerdings muss der Beklagte in diesem Fall dennoch die gegnerischen Anwaltskosten tragen, weil zum Zeitpunkt der Abmahnung eben noch das alte Recht gegolten habe und der Anspruch deshalb rechtmäßig sei.

Nun kommt es: Die gute Nachricht ist also, dass der BGH damit die Abschaffung der Störerhaftung beim Betrieb von WLAN-Hotspots höchstinstanzlich bestätigt hat. Teuren Massenabmahnungen dürfte er damit den Garaus gemacht haben.

Allerdings hat die Sache auch einen Haken - damit die TMG-Änderungen Konform zum EU-Recht sind, muss der Gesetzgeber auch die Interessen der Rechteinhaber im Blick behalten. Der Europäische Gerichtshof hatte erst kurz zuvor entschieden, dass der Anschlussinhaber nicht komplett aus der Verantwortung genommen werden darf! Eine Pflicht zur präventiven Absicherung des WLANs mit einem Zugangspasswort hätte dem erklärten Ziel, den angstfreien Betrieb offener WLANs zu fördern, jedoch im Wege gestanden.

Die GroKo entschied sich daher für ein "milderes Mittel", wie es wörtlich in der Gesetzesbegründung heißt: In Paragraf 7, Abs. 4 TMG wurde Rechte-Inhabern die Möglichkeit eingeräumt, vom WLAN-Betreiber eine Sperre gegen die künftige Wiederholung der Rechtsverletzung zu errichten. "Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs besteht nicht."

Was der Gesetzgeber unter "zumutbar" versteht, wurde diesmal in der Begründung sogar erläutert: Nämlich "zum Beispiel Nutzungssperren bestimmter Ports am Router, die dazu führen würden, dass bestimmte Webseiten durch WLAN-Nutzer nicht mehr aufgerufen werden können. Dadurch könnte der Zugriff auf Webseiten, über die Urheberrechtsverletzungen begangen wurden (z. B. illegale Tauschbörsen), direkt am Router gesperrt werden."

Der BGH kümmerte sich nun aber nicht um diesen unverbindlichen Begründungstext. Er legt den Begriff "Sperrung" wesentlich weiter aus – wohl auch, um dem EU-Recht doch noch Genüge zu tun: "Der Anspruch auf Sperrmaßnahmen ist nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen beschränkt und kann auch die Pflicht zur Registrierung von Nutzern, zur Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort oder – im äußersten Fall – zur vollständigen Sperrung des Zugangs umfassen", erläuterte er in seiner Mitteilung zum Urteil.

Während der BGH damit der Störerhaftung von WLAN-Anbietern Rechtssicherheit gewährt, schafft er also zugleich in anderen Bereichen neue Rechtsunsicherheit. Denn wer welche Sperrmaßnahmen ergreifen muss, ist auch nach der Entscheidung weitgehend unklar.

 

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